Rückschau auf die Veröffentlichungs-Schau von Mahlstrom mit Reznik Syndrom, Amber und French Nails.

"Jede falsche Träne gibt uns Hoffnung." Nun ja, wollen wir mal nicht so finster anfangen. Diese Textzeile aus dem Mahlstrom-Song "Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss" sollte uns zu späterer Stunde vergangenen Freitagabend im JuHa-West aber noch eindringlich in die Gehörgänge gepfercht werden.

Der Abend fing durchaus tiefsinnig an. Oder was heißt tiefsinnig. Sagen wir mal musikalisch anspruchsvoll. French Nails aus Landau in der Pfalz eröffneten den Abend mit ihrem tiefer gelegten Heavy Rock, mit dem man nicht so leicht warm werden konnte. Ehrlich gesagt erging es mir, als gerade mal drei Songs gespielt waren so, dass ich mich fragte, wie lange das noch so weiter gehen müsse. Allerdings kam ich als Zuhörer in der gemütlich versammelten Menge dann immer mehr ins, nennen wir es mal, Mitwippen. Dann zündete der Stoff langsam. Sodass ich schließlich gerne noch mehr gehört hätte, als das Set dann zu Ende war.

Mit der zweiten Band, Amber aus dem hessischen Marburg, wurde die Stimmung alsbald noch düsterer, und die Knie sanken tiefer gen Boden. Das Klanggewand der Band mit Frontfrau umlschlang in einer Post-Hardcore-Form, ähnlich der von den Briten Devil Sold His Soul die geneigten Zuhörer in Stuttgarts Westen. Wer dem Bandvergleich folgen kann, weiß dass da nun der Post-Rock und die getragenen Melodien in den Abend Einzug fanden. Gesanglich wurde gefaucht, gesungen wurde nicht. Auch hier kann man von Anspruch reden. Hohem. Nicht sehr eingängig. Aber schaurig schöne Musik. Nachdem sie sich entfaltet hatte. Klar, dass das nicht jeden erreicht hat.

Reznik Syndrom, die Stuttgarter, die gerne mal Kuchen am Merchstand verkaufen setzten dem musikalischen Anspruch eine weitere Krone auf. Die Band spielte ausschließlich neue Songs, die auf ihrem kommenden Album zu finden sein werden. Nach den EPs "Auftakt" und "Ad Absurdum" war schon klar, dass die Band auf nachdenkliche Texte setzt, und musikalisch nicht gerade Pop macht. Aber die neuen Songs entfernen sich noch einen Schritt vom eingängigen Tanzflächenfüller. Verkopft und spannend arrangiert wird eine Atmosphäre erschaffen, die live zu fesseln weiß. Aber auch die Fußfesseln anlegt. Man merkte den Zuschauern an, dass es sich hier um schwere Kost handelte. Die Kinnlade ging als zu Boden, so blieben aber auch die Füße am Boden haften, und es wurde andächtig beobachtet. Ich unterstelle den neuen Post-Rock-Songs mit dieser Post-Hardcore-Erdung und den präzisen Shouts, dass sie wachsen müssen. Und dazu auch das Potential haben. So wollte man die sechs dargebotenen Titel ganz gerne gleich nochmals genau hören und studieren.

Headliner und Grund der Veranstaltung, Mahlstrom, machten alles gerade erzählte komplett anders. Die Band spielte ohne Kompromisse, ehrlich gerade aus ihren Hardcore, mit Emo- und Punk Einschlag, direkt auf die Fresse. "Nach dem Stillstand" heißt die neue EP die Freitagnacht gefeiert werden sollte, und so ging, nach dem von Anspruch erdrückten Stillstand im Publikum, ein Ruck Energie direkt von der auf der Bühne agierenden Band ins Publikum über. Bis spät in die Nacht wurde ein Kracher nach dem Anderen zelebriert. Die neue EP wurde ausgeschröpft und "Karthago" sollte amtlich zerstört werden. Auch ältere Titel wie "Hunde des Krieges" aus der ersten EP der Band gingen live direkt in Fleisch und Blut über. Mahlstrom machten einfach Spaß. Ein paar kleine Melodien hier und da, die auch die nachdenklicheren und ruhigeren Passagen als Brücke zur Restveranstaltung schlugen, sorgten für ein paar Atempausen. Man verspürte geradezu wie viel Bock Mahlstrom hatten ihre neue EP zu feiern. Live wurde zu später Stunde noch einmal kräftig fürs Wochenende wach gerüttelt. Frontmann Jakob brachte seine tiefsinnigen (da sind wir wieder) Texte emotional authentisch aufs Parkett. Gibt uns nun jede falsche Träne, falsche Hoffnung? Oder jede Träne Hoffnung? Sollte man mal drüber nachdenken.

Insgesamt ein toller Abend mit vier vielversprechenden Bands. Namentlich Amber, French Nails, Reznik Syndrom und Mahlstrom, in Stuttgarts immer freundlicher Location: JuHa-West.


Mehr zu den Bands:

facebook.com/mahlstrommusik
mahlstrom.bandcamp.com

facebook.com/rezniksyndrom
rezniksyndrom.bandcamp.com

facebook.com/hereisamber
weareamber.bandcamp.com

facebook.com/frenchnails2012
frenchnails.bandcamp.com

Beliebte Posts aus diesem Blog

Live-Musik: Das geht zwischen Metalcore, Indie, Hardcore, Punk und Sub-Pop in Stuttgart und der Nähe. //die stadt ohne bling bling.

Diese Bands und Musikerinnen und Musiker kommen bald nach Stuttgart. Alles Gute zwischen Hardcore, Punk, Indie, Metal und hörenswertem Subpop //die stadt ohne bling bling.

Heisskalt kündigen ihr neues Album an. "Vom Tun und Lassen" kommt noch dieses Jahr und beendet die Funkstille der Sindelfinger.