Kreativ sollst Du sein. Featurette über Crowdfunding (1/4).

Clemens Schick und Saralisa Volm (Filmausschnitt "Hotel Desire", Teamworx)
Sex sells. So war es schon immer. Doch dieses Mal hat das Volk selbst zugestimmt und sich auch noch finanziell beteiligt: Der porneografische Film Hotel Desire, in dessen Mittelpunkt der zehnminütige Geschlechtsakt von Saralisa Volm und Clemens Schick (Casino Royale, Tatort) steht, ist durch ein Finanzierungsmodell entstanden, das sich Crowdfunding nennt. Seit Anfang Dezember letzten Jahres als kostenpflichtiger Download im Internet bei Videoload und bei Lovefilm und Konsorten im Verleih erhältlich. Im TV war der Kurzfilm Mitte 2012 auf Arte zu sehen. Innerhalb der ersten Tage wurde Hotel Desire öfter heruntergeladen als Harry Potter und Hangover 2. Aber Crowdfunding finanziert nicht nur Filme.

Alles beginnt mit einer Idee. Die Bedingung: Ein ernstzunehmendes Projekt muss es sein, keine Schnapsidee. Wer noch nie mit Autos zu tun hatte, wird nun keinen Ferrari bauen können. Dann nur noch schnell ein paar Befürworter finden, die finanzielle Unterstützung anbieten, und im Gegenzug schneide man ihnen ein Stück vom vermeintlichen Erfolgskuchen ab. So simpel soll Crowdfunding – Schwarmfinanzierung – funktionieren, ein alternatives, online-basiertes Finanzierungsmodell und seit vergangenem Jahr ein neuer Trend in Deutschland. 170.000 Euro sind für Hotel Desire in 80 Tagen zusammengekommen. Der Film von Sergej Moya – Schauspieler, Regisseur und Miteigentümer der Produktionsfirma Von Fiessbach Film – ist aber kein Einzelfall. Vor allem in der Musikbranche gibt es Dutzende von Produzenten und Bands, die ihre Werke auf diese Weise finanzieren. Bei Hotel Desire richteten die Akteure auf eigene Kosten eine Webseite ein und stellten, je näher man dem Budgetziel kam, nach und nach die Drehbuchkapitel online.

Es gibt aber auch Web-Plattformen für Crowdfunding, im Bereich Musik beispielsweise pledgemusic.com oder sellaband.de. Die US-Band Public Enemy hat einst 75.000 US-Dollar über Sellaband gesammelt. Seit der Gründung der Firma 2006 wurden hier über 4.000.000 Euro in rund 80 Künstler investiert. Richard Lyne, A&R (Artists and Repertoire) bei Pledge Music, erklärt, das englische Pendant zu Sellabandfunktioniert dadurch, dass die Künstler ein Album vorab an ihre Fans verkaufen und zusätzlich Dinge wie VIP-Pässe, CDs mit Autogrammen, T-Shirts oder handgeschriebene Text-Blätter als Anreiz anbieten.“ So generieren Musiker sozusagen Vorbestellungen auf ein Werk, das noch gar nicht existiert, durch die das Werk aber erst ermöglicht wird; die Rechte bleiben bei ihnen. Etwa 90 Prozent aller Projekte bei Pledge Music endeten bislang erfolgreich. So wurden in den vergangenen zwei Jahren, seitdem das Unternehmen existiert, über 200 Alben finanziert, davon landeten vier in den Top 40 der UK-Charts und 25 der unterstützten Künstler haben einen Vertrag bei einem großen Label erhalten. Bekannte Acts darunter sind Funeral For A Friend, Apocalyptica und Tina Dico.

Von Lars Marschollek und Matthias R. Schneider

Fortsetzung folgt kommenden Sonntag.



HOTEL DESIRE TITELSEQUENZ from Sergej Moya on Vimeo.

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