Was wäre wenn? Reznik Syndrom wollen "Korrekturen" am Lauf der Zeit vornehmen. Neues Album besprochen - Neuen Song jetzt exklusiv hier hören.

Thomas, Jörg, Micha, Bernd und Jan sind Reznik Syndrom aus Stuttgart

Wenn das Leben so einfach wäre, dann würde man sich nie diese Frage stellen: "Was wäre wenn?". Reznik Syndrom aus Stuttgart stellen sich mit ihrem neuen Album diese Frage - streben den Bau einer "Zeitmaschine" an um "Korrekturen" vorzunehmen.

Ich habe mit dieser Band schon einiges durchgemacht. Bin privat gut mit der Truppe befreundet. Der Sänger und ich haben sogar die selben Eltern. Das muss ich nicht sagen, ist aber ehrlicher. Denn ein objektives Review dieser neuen Platte werdet ihr hier sicherlich nicht finden. Wo ich die Objektivität einer persönlichen Meinung doch generell anzweifle. Ich hätte die Besprechung auch meinen Kollegen schreiben lassen können. Aber wann hat man schon die Möglichkeit, als Dritter eine Band so lange zu begleiten, so viel mit zu erleben und das dann halbwegs journalistisch zu verarbeiten. Rhetorische Frage.

Mit "Korrekturen" veröffentlichen die Stuttgarter, Micha, Jan, Thomas, Jörg und Bernd, ein Album, das sie schon eine ganze Weile auf dem Rücken mit sich herumschleppen. Ein paar Songs, wie "Zeitmaschine" und "Fotograf" sind schon seit fast zwei Jahren im Live-Programm der Band. Über die Zeit haben sie sich stark verändert, bekamen mehr Drive, mehr Kontur, mehr Tiefe. Textzeilen wurden treffsicherer. Arrangements genialer.

Diese Einsicht kann man gut als Parabel auf das Album per se anwenden. "Korrekturen" betrachtet das Leben als Ganzes, als unvollendetes progressives Wesen. Denker hinter den Lyriken ist Jörg - mit dem man sicherlich über seine Texte reden kann. Aufschlüsseln würde er sie aber nie. So einfach ist das alles nicht. Die Stärke seiner Texte sind die Projektionsfläche die sie bieten. Was die Band, hinter der musikalischen Leitung von Gitarist Micha im Zusammenspiel mit Jörgs unharmonischen Sprech-Gesang geschaffen hat, ist spannend zu beobachten. So bricht die Gesangsstimme als in stehende Töne eines Singsangs aus, alsbald in kratzendes Geschrei - bleibt die Musik doch weitestgehend getragen. Post-Rock, der ein brodelndes Emo-Core-Herz beherbergt, das jederzeit Explodieren kann. Die neu dazu gefunden Backing-Vocals von Bassist Bernd verleihen dem Ganzen dann die nötige Lebendigkeit.

Als Hörprobe möchte ich Dir, werte Leserin, werter Leser nun den Song "Fotograf" vorspielen.



Nach dem Knick geht es weiter im Text.

Textzeilen "Fotograf"

  • schau dir die fotos an / das waren mal wir
  • heute wirkt alles als wäre es fiktikon
  • unser persönliches "stand by me"
  • wo ist das gefühlt dieser zeit hin? / war es jemals da?

  • mir selbst ist die ahnungslosigkeit ins gesicht geschrieben.
  • es ist egal wohin die reise geht
  • dahinter steckt schon der mann, der heute diese zeilen schreibt

  • eine person / im wartezustand
  • im begriff das zu werden / was ich heute bin

  • machst du das bild von uns / das zur bittersüßen retrospektive wird?

  • mit dem wissen, dass die veränderung längst zwischen den gesten schlummert
  • brauchen wir einen verdammt guten fotograf
Als Hörer muss man sich ein Herz fassen, den unruhigen Alltag mal Alltag sein lassen. Auschecken. In einen Sessel sitzen. Einen Whiskey öffnen. Ein Gläschen trinken. Oder zwei. "Korrekturen" kann man wirken lassen. Es ist definitiv kein Album für zwischendurch. Dazu sind die Songs zu lang. Dazu haben sie zu wenig Pop-Allüren. Nimmt man sich diese Zeit. So wird gerade bei Songs wie "Zeitmaschine" und "Fotograf" das Gehörte bildlich. Jeder Titel scheint eine kleine persönliche, aber allgemein gültige Geschichte zu erzählen. In "Fotograf" und aber auch dem Opener "Jim, Johnny und _____" geht es gefühltermaßen um die Vergänglichkeit der Jugend. Oder die Vergänglichkeit an sich.

Beim "Fotograf" schaue ich mir im Kopf Bilder an, die eine Zeit dokumentieren, die mir zwischen den Fingern hindurch sickerte und verrann. Eine Zeit die ich mir mit meiner "Zeitmaschine" zurück holen möchte. Verstorbene Freunde aus "Jim, Johnny und _____", die ich wieder zum Leben erwecken möchte.

Es gibt viele emotionale Gedankengänge beim Hören der neuen Platte von Reznik Syndrom. Ich kann hier jetzt nicht jedem der sieben Songs eine Zeile widmen. Das wäre plump und würde den Rahmen sprengen. Aber was allgemein für sie alle gilt: sie sind nachdenklicher, weniger aufmüpfig als frühere Songs. Schaut man sich den Werdegang von "Auftakt" über "Ad Absurdum" bis heute an, ergibt alles Sinn. So ist der heutige Stil, den die Band sich erarbeitet hat, ein durchweg eigenständiger.

Das Gesamtkunstwerk ist mit dem großartigen Artwork und Design der Vinyl-Auflage der Platte aber erst komplett. Mit einem Booklett mit aufwendigem Riso-Print, und farbiger, Schallplatte. Wahlweise rostrot oder tapetenweiß. In einer limitierten Auflage von 300 Stück. Die ersten 100 davon sind die roten.

Ein Review, das ohne Empfehlung endet. Eine Platte die sich schon so gelohnt hat. Zwar nicht monetär. Aber die Band ist darüber zusammen gewachsen. Auch wenn sie es selbst vielleicht nicht merken, die Individuen hinter dem Konstrukt. Das Geschaffene, ist es gesackt, wird sie schon noch einholen. Denn das ist was Großes.


Reznik Syndrom - "Korrekturen"
VÖ: 16.09.2013
via: Wolves And Vibrancy / Heads Down Records

Mehr: Vorbestellen bei Wolves And Virbrancy im Store!

Beliebte Posts aus diesem Blog

Dave Collide und der Tour-Zug. Der Songwriter-Acoustic-Punk aus Stuttgart ist im Sommer unterwegs. Ein kleines Interview.