Über Musik, das Leben und Punk-Rock. Ein Gespräch mit Coliseum.

Ryan, Kayhan und Carter sind Coliseum
Eine dunkle Ecke, im Keller vom Jugendhaus West in Stuttgart ist mit Sofas und Sitzgelegenheiten bestellt. Ein Kühlschrank, mit kaltem Bier gefüllt, steht für die Bands hier bereit. Bierbänke und Essen, auf der anderen Seite des Raums. Ich bin Ryan Patterson von Coliseum hier her gefolgt, um mit ihm und seinen Bandkollegen über ihre Musik und ihre Ideen zu sprechen. Carter Wilson, der Drummer ist auch gerade zu uns gestoßen. Nur Basser Kayhan Vaziri ist nicht aufzufinden. Wir setzen uns trotzdem schon mal in die Ecke auf Sofa und Sessel um mit dem kurzfristig verabredeten Interview zu beginnen. Mein Tonband-Gerät läuft also können wir loslegen. Vielleicht taucht Kayhan ja noch auf.


MIM: Nett von euch mich hier in Stuttgart vor der Show zu treffen. Hattet ihr eine lange Anreise?

Ryan: "Nö, die war eigentlich ziemlich kurz. Wir haben gestern in Würzburg gespielt. Nur ein, zwei Stunden mit dem Van."

MIM: Der Veranstalter heute sagte mir eben, dass ihr Probleme hattet her zu kommen, und gerade erst ein wenig verspätet eingetroffen seid.

Ryan: "Ja das stimmt. Verkehr. Dann sind wir irgendwie verspätet losgekommen und dann haben uns noch Cops rausgezogen. Ich hab gehört hier in Bayern wird man oft von der Polizei kontrolliert. Haben mir andere Bands gesagt."

MIM: Ist das so? Kann ich mir bei unserem Nachbarstaat vorstellen. Kann sein, dass die strikte Polizei haben.

Ryan: "Ja gerade halt Bands. Vielleicht hoffen die, dass sie da Drogen finden oder so."

Carter: "Ich weiß auch nicht, was die wollen."

MIM: ...Hm. Dann mal zur Musik. In eurem Sound hat sich seit den letzten Alben einiges getan. "Sister Faith" klingt irgendwie anders. Ist da vielleicht sogar irgendwie sowas wie Sludge drin? Wie kam's dazu?

Ryan: "Ach, weißt Du, wir haben halt einfach neue Songs geschrieben. Wir hatten irgendwie schon alles getan, was wir tun wollten. Und dann kam eben mit neuen Ideen das dabei raus. Wir sind eben auch so eine Band die sich nicht so gerne wiederholt."

MIM: Ja.

Ryan: "Sludge... hm. Ich glaube Sludge ist vielleicht auch so ein Terminus, der sich gewandelt hat. So wie Emo. Sludge bedeutet für mich: 'ich hasse Gott' und so. Und so einfach sind wir dann nicht.Ich denke wir sind mehr von Dischord und Classic Punk beeinflusst, Post Punk und vielleicht 90s-Alternative."

MIM: Aber ihr habt da diese düstere Stimmung.

Ryan: "Ja, da ist definitiv eine beabsichtigte Finsternis in unserer Musik. Aber nicht um halt hart zu wirken. Eher ein ominöses hintergründiges Feeling."

MIN: Und worum geht's in deinen Texten?

Ryan: "Nun ja. Ich glaube nicht an Gott. Alle in unserer Band sind Atheisten, wenn man das so nennen will. Also spielt so etwas viel in meine Texte rein. Weil in dem Land aus dem wir kommen - dort gibt es viele richtig konservative Christen. Wir kommen aus den Süd-Staaten der USA. So an der Kante des Südens [Anm: Louisville, Kentucky] und dort ist die Religion sehr stark. Mit sehr konservativem Weltbild. Und da durch wollen in Amerika Menschen die Gesundheitsfürsorge für Frauen einschränken, die Homo-Ehe verbieten und all solche Sachen die jedem frei stehen sollten. Die wollen die halt wegnehmen, durch ihr altertümliches Weltbild. Und solche Dinge die mich dann aufregen, kommen in meine Texte. Außerdem geht es mir auch viel um die Angst vor dem Tod. Eben eine Auseinandersetzung mit der Sterblichkeit. Solche Dinge."

MIM: Wie werden dann Songs aus diesen Ideen?

Ryan: "Ich schreibe immer mal wieder ein paar Zeilen auf. Aber in erster Linie entsteht erst Musik, und dann schreibe ich die Texte dazu."

Carter: "Ja, wir schreiben die Musik zusammen, schmeißen Ideen in einen Topf probieren Sachen aus. Und dann kommt Ryan und schreibt einen Text dazu. Auf dem neuen Album sind Kayhan und ich auch teilweise mit fast fertigen ausgedachten Songs angekommen, und mit Ryan wurden die dann fertig gemacht."

Ryan: "Über die Zeit, haben wir immer mehr zusammen gearbeitet. 'Sister Faith' ist also das erste Album, das am ehesten aus uns allen dreien entstanden ist. Jetzt wo wir schon so lange eine Band zusammen sind, ergänzen wir uns gegenseitig richtig gut."

MIM: Jammt ihr dann viel zusammen?

Ryan: "Da wir alle ziemlich weit auseinander wohnen, sind wir wenn wir zusammen proben und Songs schreiben immer ziemlich bei der Sache. Da sind wir auf die Songs die daraus werden könnten fokussiert, da wollen wir nicht so viel rumblödeln."

Carter: "Ich wohne halt fünf-einhalb Autostunden von Ryan weg. Kayhan wohnt irgendwo in der Mitte dazwischen. Also treffen wir uns dann meistens bei ihm."

MIM: Verstehe, das benötigt dann schon größeren Aufwand und Planung um so eine Band am Leben zu erhalten, oder?

Carter: "Das stimmt. Die Band bedeutet uns auch ziemlich viel. Deshalb nehmen wir das in Kauf. Außerdem gewöhnt man sich an die langen Autofahrten." (lacht)

Ryan: "Ich mag es sogar, dass wir uns immer so aufraffen müssen um zusammen für Coliseum zu schuften. Man hat da so einen schönen Schnitt zum Rest des Lebens. Verstehst Du. Man kann sich dann voll und ganz auf eine Sache konzentrieren. Wenn man weiß was dahinter steckt."

MIM: Was macht ihr wenn ihr nicht in Coliseum seid?

Ryan: "Ich mache grafische Designs für Shirts, Bandshirts und anderen Merchandise."

Carter: "Ich lege in einem Club in unserer Heimatstadt auf. Hab viel mit der lokalen Szene zu schaffen. Soundengineering und so."

MIM: Mir ist gerade heute aufgefallen, als ich das Video zu "Fuzz Bang" noch einmal angeschaut habe, dass Du [Ryan] das produziert hast. Hast du das schon öfter gemacht?

Ryan: "Das war mein erstes Musikvideo. Ich hatte da halt so eine Idee von einem Toten, der aus der Gruft aufersteht, und für einen Tag sich am Leben erfreut. Der steht dann aus dem Grab auf und rennt auf einem Friedhof rum." (lacht)

MIM: Haha, okay. Cool. Ich mag das Video ziemlich. Kommt  da noch mehr?

Ryan: "Mal schauen. Wir wollen eigentlich irgendwie zu jedem Song auf dem Album ein Video raus bringen."

MIM: Ach. Da freue ich mich drauf. ... hm. Jetzt noch eine ganz plumpe Frage. Die stelle ich gerne Leuten, die sich offensichtlich viele Gedanken zu unserem Dasein machen. ... Was läuft falsch auf dieser Erde?

Ryan: ... Egoismus. Selbstsucht. Für mich ist das der Kern von all dem das gerade falsch läuft. Jeder will jedem alles wegnehmen. Für sich behaupten. Nichts teilen. Ich will jetzt nicht so etwas wie Kommunismus fordern. Oder so aber vielleicht wäre ein bisschen weniger Egoismus und ein bisschen mehr Zusammenhalt manchmal ein besserer Weg. Vielleicht ist Egoismus auch nur ein Nebenprodukt von Angst. Ich glaube diese Selbstsucht bringt Leute dann dazu zur Religion zu finden. Aus Selbstsucht. Dass ihnen allein dann die Gnade Gottes zukommt. Und keinem anderen. Anstatt zusammen zu arbeiten um gemeinsam etwas zu erreichen. Geht es jedem einzelnen immer nur um sich selbst.

MIM: (ich nicke und schaue Carter fragend an.)

Carter: (lacht) "Ich hätte auch so etwas gesagt. Er hat recht. Es gibt zu viel Egoismus."

Oben fängt dann gleich die erste Band an zu spielen. Also sind wir fertig mit unserem Gespräch. In diesem Moment kommt der Bassist Kayhan zur Tür rein. Ryan meint zu ihm. "Hey gerade rechtzeitig. Du hast gerade ein Interview verpasst." Kayhan erwidert "Was? Habt ihr ihm wenigstens erzählt wie cool ich bin?", Carter dazu, "ja, wir haben nur über dich geredet." Dann bat ich nur kurz zum Foto und bedankte mich für das Gespräch.

Mehr: coliseumsoundsystem.com

Video zu "Fuzz Bang"

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