Wir sprechen über neue Musik aus Stuttgart. Im Interview mit Maik und Arne von An Early Cascade. Ausführlich. Lehnt euch zurück. Wir quatschen über die Tour mit Heisskalt und das neue Album "Alteration".
Foto: Venera Red. Photography / venera-red.com // |
Ich treffe mich mit Maik, dem Sänger, und Arne, einem der Gitarristen, von An Early Cascade im Kap Tormentoso in Stuttgart, unten in der Kellerkneipe auf ein Bier. Wir sprechen über das neue Album, wie das so entstanden ist.
Mim: Und wie ist das jetzt „Alteration“
auf den Markt zu bringen, wie lange hat des gedauert bis ihr so weit
wart das neue Album zu veröffentlichen?
Arne: Lang, …ne gefühlte Ewigkeit.
Maik: Ähm, eigentlich gar nicht lang,
witzigerweise. Ich hab's erst neulich mir angeschaut. Und tatsächlich
war's nur ein halbes Jahr in dem die ganzen Songs fertig gemacht
wurden. Also das Songwriting und Songs fertig kriegen.
Arne: Ja aber so der Plan wie wir's
geschrieben haben und wie wir es ursprünglich eigentlich vorhatten
war schon alles bisschen zäh …
Maik: Ja, das schon. Klar. Der Besetzungswechsel ist schon 'ne Weile her, und bis wir dann schließlich
angefangen haben, hat schon gedauert. Aber als wir dann richtig damit losgelegt haben,
war's so ein halbes Jahr bis zum fertigen Album. War witzig, weil wir
zum ersten Mal zusammen geschrieben haben.
Arne: Ja.
Maik: Also so im Proberaum: Ne richtige
Session, so alles verkabelt. Und dann halt live einfach gejamt und
aufgenommen. Das war mega spannend. Am Anfang echt schwierig. Aber
als es dann so funktioniert hat, umso geiler irgendwie. Weiß nich.
Irgendwie hat's einen ganz anderen so Flash-Moment, wo man dann
überrascht ist: woah, ist ja geil. So was man so davor nicht
unbedingt hatte, weil's halt immer so viel Einzelarbeit war. Als Stroh
noch in der Band war, er hat halt viel immer mitgebracht, Riffs und
so, und dann war das halt so okay, es war halt da und dann hat man's
halt zusammen gespielt. Und jetzt war das so, dass es einfach
entsteht. Aus nichts. Oder aus irgendwelchen Ideen, die gerade so
flüchtig sind.
Mim: Genau das hab ich mich gefragt.
Wer schreibt diese Songs, die teilweise so unerwartete Elemente
haben, ich wusste halt, dass Stroh (einer der alten Gitarristen) viel
geschrieben hatte, auch noch auf „Kairos“. Und jetzt ist da
beispielsweise ein Song, mir fällt gerade der Titel nicht ein, fast
mit so nem elektronischen Beat fängt der an, also ziemlich
untypisch. Wie kommt dann sowas zustande?
Arne: „Wrong Things“
wahrscheinlich.
Maik: Willst du wissen wie das
entstanden ist?
Mim: Ja. Unbedingt.
Maik: Des ist entstanden. Wirklich.
Also ich bin der denkbar schlechteste Schlagzeuger, den es auf der
Welt gibt wahrscheinlich.
Mim: Okay... ich bin auch nicht gut.
Maik: Ja, aber nicht so schlecht wie
ich. Ähm. Wir hatten so ein E-Drum-Set im Proberaum stehen, zum
Songwriting. Weil's das einfach wesentlich einfacher macht, zum
Recorden, weil man einfach mit MIDI recorded und dann kann man sich
danach einfach sich seine Songs zusammenschieben. Naja, dann hatten
wir halt so ein Drum-Set da stehen, und ich dachte ich müsste da
halt mal drauf spielen. Dann hab ich irgend sonen Sound gefunden, und
fand das cool. Hab's dann aber nicht vollenden können. Und dann hat
sich Jan (der Bassist), glaube ich, ans Schlagzeug gesetzt. Ich hab
Bass gespielt, und Arne Gitarre gespielt. Und genau so ist der Anfang
entstanden.
Mim: Okay, und das ist dann immer noch
E-Drum?
Maik: Der ist immer noch E-Drum, ja.
Ist auch glaub ich wirklich das Original-Sample von dem E-Drum-Set.
Mim: Dann seid ihr an das neue Album
wesentlich freier ran gegangen, war das dann auch das Befreiende,
weshalb es schließlich so schnell alles geklappt hat?
Arne: Ich glaub schon. Also jeder war
halt total überrascht, dass es gut funktionierte. Weil jeder halt
nach dem Besetzungswechsel wieder so seinen Platz in der Band finden
musste. Und dass wir dann einfach in so ner Zeit so ein Album dahin
zimmern. Und das eigentlich echt cool geworden ist, das war so ne
Überraschung bei jedem.
Maik: Auf jeden Fall.
Mim: Ihr wart jetzt damit schon auf
Tour (mit Heisskalt, wie schon einmal davor). Habt ihr viele Songs
von dem Neuen Album gespielt?
Maik: Fast nur.
Mim: Und wie kam das an?
Maik: Wir hatten erst mega Schiss, weil
wir nicht wussten, ob ein paar von den Heisskalt-Fans uns jetzt nicht
schon kennen, und eine gewisse Erwartung an uns haben. Hat aber
interessanterweise mega-gut funktioniert. Wir ham nur „Gold“ und
„Everything“ (is wrong everything is OK) gespielt von den alten
Songs und ansonsten nur neue. Und... es gab ein sonen Moment, es
waren zwei Konzerte, aber der erste Moment war in Karlsruhe, als
einfach beim zweiten neuen Song die Leute einfach anfangen
auszurasten und richtig hart abzuspringen und mit zu klatschen. Total
überraschend. Hätten wir irgendwie so gar nicht erwartet, dass so
noch nie gehörte Songs, noch nie veröffentlichte Songs auf einmal
so gut ankommen. Das war schon echt richtig krass.
Arne: Des war glaube ich auch in
Karlsruhe, als ich während dem Spielen Leute gesehen hab, die bei
neuen Songs nach dem zweiten Chorus mitsingen. So: Häh! Ihr habt den
Song noch nie gehört! Und habt den Chorus jetzt ein einziges Mal
gehört und ab dem zweiten könnt ihr mitsingen. Die standen dann da
und haben inbrünstig diesen Chorus mitgesungen. Und ich dacht so:
Häh was is denn gerade los?!
Mim: Mich überrascht das ehrlich
gesagt nicht so krass. Weil ich finde das total eingängig das Ding.
(„Alteration“). Das hat gerade so ein paar Refrains drauf, wo du
dann denkst, wo kommen die her? Gerade bei hmmm (jetzt fällt mir
schon wieder ein Titel nicht ein)... ähm
Maik: Zauberkischte.
Mim: Ja, Zauberkischte. Wie heißt der
gleich... Narrow Minded?
Maik: Narrow.
Mim: Genau, den Refrain find ich so
krass. Da passiert halt so viel. Ich weiß nicht wie man sowas
schreiben könnte. Wenn du Texte schreibst, Maik, wie schreibst du
solche Melodien? Das ist dann in dem Fall alles über's Jammen
gekommen?
Maik: Wir ham halt jetzt beim Jammen
speziell beim Gesang nicht alles fertig gehabt. Also so vom
textlichen. Ich hab da schon viel so zuhause gemacht. Aber viele von
den Ideen also so von der Gesangmelodie her, die ham wir dann schon
auch so mitgejamt.
Arne: Mit so Platzhaltertexten, dann
irgendwie.
Maik: Teilweise von irgendwelchen
Plakaten, die so im Proberaum hängen. Einfach wahllos aneinander
gereihte Worte.
Mim: Okay, wie schreibst du dann die
Texte? Ist das immer schon so gewesen, dass du dann das fertige Lied
gehört hast und dich dann hast inspirieren lassen, oder liegt da
schon so ein Zeug rum?
Maik: Sowohl als auch. Des meiste liegt
tatsächlich rum. Aber nur so Ideen, oder Phrasen, so Fetzen
irgendwie. Oder Themen manchmal nur. Also ich hab son Songbook quasi.
In dem manchmal nur so dumme Sachen drin stehen, die Nachts beim
Aufwachen reingeschrieben werden. Oder sowas. Einfach nur nen Thema
oder ein Gefühl oder keine Ahnung. Und dann guck ich halt ob was
passt. Ob mir da noch was dazu einfällt. Ob sich das irgendwie mit
dem Song verbinden lässt. So wurden wahrscheinlich die meisten Texte
geschrieben. Ein paar sind tatsächlich erst entstanden auf das wie
es sich dann nachher Instrumental gefügt hat. Also zwei drei Songs
sind dann tatsächlich auf der Instrumental Basis entstanden. Bei
„Desolate“ zum Beispiel, da war die gesamte Gesangmelodie und das
Instrumental ein kompletter Jam. Von hinten bis vorne. Da hat sich
gar nichts verändert, außer dann der Text. Also ich hab da so ne
richtig richtig bescheuerte Aufnahme, wo, wie ich dir grad schon
gesagt hab, ich dann irgendwelche Bandnamen von Plakaten, die ich im
Proberaum aneinander gereiht hab singe. Mega witzig. Sollte man
besser niemandem zeigen.
Mim: So, wenn man jetzt in
Zeitabschnitten denkt. Da gibt’s „Your Hammer To My Enemy“ und
„Versus“. Beide so thematisch auf Krawall gebürstet. „Kairos“
- der Neuanfang, und jetzt „Alteration“ die Veränderung, habt
ihr den Krawall thematisch jetzt fertig bedient, und seid einfach nur
noch auf Veränderung aus?
Arne: Ich glaub die Songs sind einfach
in so einer Phase der Veränderung entstanden. Wie ich schon meinte,
dass die Band sich neu finden musste, und deshalb dann der Name der
Platte.
Maik: Ja auch diese neue Art und Weise
wie wir Songs geschrieben haben. Eigentlich eine komplett andere
Band. Witzigerweise klingts aber nicht anders. Also es klingt halt
immer noch nach An Early Cascade. Das hat uns selber überrascht.
Mim: Themen; Also bei „Without You
I'm Nothing“ beispielsweise, da hat mich ein Kollege, der die
Platte auch bemustert bekommen hatte, gefragt, ob ich wüsste ob ihr
jetzt christlich geworden seid. Über wen geht das? Darf man das
fragen, oder darf man das nicht entzaubern?
Arne lacht.
Maik: Das ist hochinteressant, dass du
genau das ansprichst. Weil genau das ist es nicht. Also so absolut
gar nicht. Es gibt da einen Song „Resolute“, der genau das
Gegenteil davon bedeutet. Ich würde jetzt nicht sagen: Antireligiös
aber zumindest nicht christlich. Entzaubern: entzaubern will ich's
jetzt nicht. Aber ich würde schon sagen, die eine Sache ohne die du
nicht kannst. Egal was das jetzt ist. Kannst du dir selber aussuchen.
Mim: Gute Antwort. Sehr diplomatisch.
Ihr habt ja jetzt 'ne ganze Reihe Shows gespielt. Wieder mit
Heisskalt. Wie ist das zustande gekommen, ihr habt einen guten Draht
zueinander, gell?
Maik: Ja, also der Marius, der Drummer
von Heisskalt macht auch das Booking über Sparta für uns. Und wir
kennen die Jungs ja schon ewig. Also auch mit den Vorgängerbands.
Big Spin und On Top of The Avalanche. Deswegen kennt man sich einfach
schon. Aber jetzt nicht, dass das irgendwie selbstverständlich wäre.
Also das ist schon für uns immer ne geile Sache, dass sie da an uns
denken und uns mitnehmen. Das ham sie jetzt schon auch extra gemacht
um unser Album und unsere anstehende Tour zu pushen. War ein sehr
großer Freundschaftsdienst auf jeden Fall.
Mim: Okay gehen wir weiter auf die Tour
ein. Bei der letzten Tour hast du, Arne dich verletzt. Erklär mal
wie kam es dazu, dass du jetzt hier mit zwei geschienten Füßen
sitzt?
Arne lacht.
Arne: Ich hab's nicht mehr ertragen.
Bin ausm Fenster gehüpft.
Maik lacht laut.
Mim: Das klingt jetzt bisschen ...arg.
Arne: Naja, einfach: ich wollte ne
Abkürzung nehmen und bin ausm Backstageraum ausm Fenster gehüpft.
Eigentlich wars das Erdgeschoss. Aber es war dann doch zwei Meter
hoch oder so.
Maik: Des reicht nicht. Des waren mehr... vier oder so.
Arne: Neeeein.
Maik: Doch.
Arne: Niemals. Wenn dann zwei einhalb.
Lass es zwei einhalb Meter sein.
Mim: Das war in Karlsruhe?
Arne: Ja genau, ich hatte halt meine
Bühnenschuhe an. Die quasi eine nicht existente Sohle haben. Einfach
so normale Schlappen. Die haben halt nichts abgefedert. Dann wars
dunkel. Ich hab den Boden nicht gesehen. Und bin da raus gehüpft.
Und bin einfach hart gelandet.
Maik: Und alles weil Arne und Andi (der
Schlagzeuger) Agenten spielen wollten.
Maik lacht
Maik: Das ist der tatsächliche Grund.
Maik kriegt sich nicht mehr.
Maik: Weil sie gesagt haben sie gehen
jetzt beide nen (Maik macht in der Luft Anführungszeichen) Secret
Way. Die waren beide schon bisschen, sagen wir angetrunken.
Arne: Und dann hab ich mir jetzt die
Sprunggelenke gebrochen, quasi.
Maik: Alle beide.
Mim: Und das hast du dann am Ende der
Tour festgestellt?
Arne: Ja.
Maik: Mit viel Schmerzmittel erstmal
die ganze Tour gespielt.
Arne: Der Orthopäde hat mich auch
gefragt, ob ich dachte ich könnte fliegen. Nee Jugendlicher
Leichtsinn. Jaja.
Arne mimt wie er ein Rauchutensil
genüsslich an den Mund führt.
Beide lachen.
Mim: Ähm. Aufgenommen habt ihr das
neue Album jetzt auch mit jemandem neuen, richtig? Also früher wart
ihr ja gerne bei Ghost City in Nürnberg. Alles anders diesmal?
Arne: Ja, der Benni Herrmann. Der
unseren Live-Sound macht. Den haben wir jetzt seit nem Jahr oder so
dabei. Der meinte einfach mal zu uns er habe da auch so ein Studio,
irgendwie. Und hat uns vorgeschlagen, wenn ihr Bock habt, könnt ihr
mal zu mir kommen ins Studio. Und dann war bei uns die Überlegung:
okay wir machen jetzt das Album wo wollen wir's aufnehmen? Und dann
haben wir gesagt, hey komm lass uns das ausprobieren beim Benni. Und
hat eigentlich mega gut funktioniert. Ist auch ne schöne Atmosphäre
dort im Studio.
Maik: Richtig geil. So mega abgelegen.
Aufm Berg quasi schon fast im Wald drin, ne alte Schlossvilla.
Richtig abgefahren. Vielleicht auch bisschen dekadent.
Mim: Muss, muss. Wenn man so lange die
Band macht. Muss man auch mal.
Maik: Genau, dann kann man da auch echt
mal ne schöne Zeit verbringen. Wir hatten auch echt super Glück.
Weil wir halt auch richtig Dusel mit dem Wetter hatten. Es war
richtig warm. Da gibt’s nen schönen großen Garten. Wo nen
Basketballkorb steht. In jeder Pause beim Aufnehmen haben wir halt
einfach mal kurz nen paar Körbe Basketball gespielt. Richtig geil.
Oder auf der Terrasse oben Bier getrunken. Richtig chillig.
Arne: War halt einfach Urlaub, wo man
dann nebenher einfach so nen Album aufgenommen hat. Also so hat sich's
angefühlt teilweise.
Maik: Wobei es schon krass war, wir
waren da halt einfach zwei Wochen.
Mim: Aufgenommen habt ihr dann
klassisch, also Instrument nach Instrument, nicht live?
Maik: Ja, ging auch gar nicht anders.
Also von den Räumlichkeiten her. Außer wir hätten vielleicht
draußen auf der Terrasse aufgenommen.
Mim: Dann hättet ihr vielleicht noch
ein paar Eulen oder so mitgenommen.
Arne: So Rauschen vom Wald.
Maik: Bäume im Wind.
Mim: Wäre auch mal nen Ansatz. Direkt
im Wald aufnehmen.
Maik: Vielleicht mit dem nächsten
Album. Black Metal dann.
Mim: Ihr macht das jetzt wirklich schon
ewig (seit über 12 Jahren). Diese Band. Wie kriegt man das immer
noch hin, nach all der Zeit? Ihr müsst ja normale Jobs arbeiten, mit
solcher Musik verdient man ja leider recht schwer nen Profi-Gehalt.
Warum macht ihr das ganze noch?
Maik: Eigentlich nur weil wir Bock
haben. Würden wir es nicht lieben, würden wir es nicht machen.
Arne: Wir sind ja alle befreundet
miteinander. Die Zeit die man miteinander verbringt ist halt einfach
eine Bereicherung für jeden. Deshalb machen wir das.
-->