Thrice bringen dem krustigen Rock wieder Politik bei. Leugnen nicht ihre Vergangenheit. Walzen ungewohnt schwer nach vorne. "To Be Everywhere Is To Be Nowhere". Das neue Album besprochen.

Thrice aus Orange, California. Foto: Promo/facebook
In einem Interview sagte Dustin Kensrue, Frontmann von Thrice, er wollte eine Hymne für all die Menschen schreiben, die genug von den Geschehnissen auf der Welt haben. "...nachdem wir ein Jahr lang mit ansehen mussten, was für schreckliche Dinge Menschen tun können und jetzt vor dem Abgrund noch mehr solcher Dinge stehen", so Kensrue. Diese Hymne ist "Blood On The Sand" geworden. Kriege in Übersee, meist Wüsten-Staaten, die von unserer Zivilisation befeuert werden. Dieser Titel, Nummer zwei auf dem Album, ist ausgestattet mit einer klaren politischen Haltung.

Antikapitalistisch, antirassistisch. "We kiss the hands of profiteers and their congressmen (...) We panic at the sight of different colored skin. And we've got a plan to justify each mess we're in. But I've seen too much (of this fear and hate)"

Musikalisch geerdeter Post-Punk mit klarer Punkhaltung. Inhaltlich Richtungsweisend für das gesamte Album, das sehr politisch, sozial- und kriegskritisch daher kommt. Mich erinnert das thematisch an "Cold cash and colder hearts" und "The earth will shake" aus der hiesigen Banddiscographie. Musikalisch, jedoch, sind die vereinzelten Punk-Elemente, wie der Song "Blood On The Sand" eher die Ausnahme. Meistens schlagen Thrice einen, ja schon irgendwie Postcore-Sound, in einem schwerfällig walzenden, verkrustet geerdeten Rock-Modus ein. Als hätten musikalische Zutaten aus der "Fire"-EP das Songwriting aus "Beggars" endgültig befruchtet. "Wake Up" ist somit eine richtiggehende Grunge-Nummer geworden.

Es kommen jedoch immer wieder Melodien durch, die eine Reminiszenz alter Stücke von "Vheissu" und "The Artist In The Ambulance" besitzen, diese allerdings in einem komplett neuen Kontext funktionieren. So hat der eher ruhige "The Long Defeat" ein paar Gitarren-Licks die die Post-Hardcore-Ader teasen, und "Death From Above" und "Whistleblower" die rohen röhrenden "Fire"-Gitarren, die einem Refrain zu unbändigem Druck verhelfen, nachdem die Strophe doch eher bedächtig nachdenklich daher kommt. Selbst "Air"- und "Digital Sea"-Gefühlswelten kommen beim letzten Song auf der Platte wieder auf. Freunde von gradlinigem Hardcore sind bestimmt überfordert, läuft das wahrscheinlich eher der "Baroness-Zielgruppe" rein.

Man merkt schon; irgendwie ist alles dabei, was Thrice in der Vergangenheit ausmachte. Doch diese Anekdoten aus alten Zeiten schlummern tief zwischen hochkomplexen, schwerfälligen Songs. Ich als alter Thrice-Fan finde die Platte "To Be Everywhere Is To Be Nowhere" sehr stark. Echte Fans, wissen bisweilen eben, dass diese Band sich selten wiederholen wird, und so ist das Gesamtbild auch bei diesem Album ein komplett neues, so noch nie da gewesenes Thrice. Und ja, Teppei spielt wieder Piano. Nackenhaare stehen Parade. Fünf Jahre nach dem letzten Album war "Anthology" nicht das letzte Wort, sondern die Einleitung eines neuen Kapitels. Denn ebenso hymnenartig eröffnet "Hurricane" diese Platte und Zeitrechnung.




Thrice - "To Be Everywhere Is To Be Nowhere"
VÖ: 27.5.2016
via: BMG / Warner

Mehr: Thrice.net






Thrice: Live:
AUG 18 - Open Air Gampel - Schweiz
AUG 19 - Highfield Festival - Großpösna
AUG 23 - Live Music Hall - Köln (wurde vom Gloria verlegt)

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