Heisskalt - "Vom Wissen und Wollen". Wieder kein Pop. Zwischen dem Nichts, Ruhe, Sturm, Apathie, Frust, Aufbäumen und Zurückstecken.

Heisskalt. Foto: Victor Schanz / Quelle: Facebook
Das Albumcover ziert ein kleiner Junger Mann. Er ist verwundet, mehrere ulkige Wehwehchen schmücken den Burschen. Trotzdem sitzt er irgendwie überlegen, bestimmt nachdenkend mit einer Pfeife im Mund in seiner Warte. Selbstbewusst. Passender könnte das Sinnbild nicht sein. Heisskalt in Zweitausendsechzehn. Junge Menschen, deren Leben von den kleinen Wehwehchen des Seins gezeichnet sind. Wie wir alle.

Nach "Vom Stehen und Fallen" sprechen wir nun also vom "(...)Wissen und Wollen", dem zweiten Album von Heisskalt aus der Daimlerstadt Sindelfingen und Böblingen, quasi dem Stuttgarter Speckgürtel im Süd-Osten. Kapitalistenhausen. In Sindelfingens Mercedes-Benz-Werk arbeiten mehr als die Hälfte der Einwohner der Kleinstadt. Klar boomt die Wirtschaft hier unten im Süd-Westen, der Autostadt Stuttgart. Aber wo die Wirtschaft die Creme de la Crop bauchpinselt steht die Mehrheit auch immer am falschen Ende des Erfolgs. So findet Mathias Bloech in seinen Texten immer wieder Worte der Systemkritik. Gerade soziale Missstände ziehen sich durch das Album wie der vermeintliche Rote Faden. Allerdings geben persönliche Anekdoten, Erfahrungen die Tonalität der Ausführungen vor.

Musikalisch ist "Vom Wissen und Wollen" wieder eine Überraschung. Hätten wir nach der "Hallo" -EP (Mit Liebe Gebraut) damals mit dem Debütalbum schon ein "Echt"-Pop-Album erwartet, bekamen wir Deutsch-Post-Hardcore mit arger Kante serviert - ist jetzt die Verwunderung nicht geringer.

Brettert der Opener und Albumvorbote "Euphoria" ungestüm punkig nach vorne, ist der Rest der Platte doch weitestgehend zurück gelehnt, minimalistisch instrumentalisiert, solange bis dramaturgisch perfekt immer wieder ein Hammer, ein Handkantenschlag zwischen die langsamen melancholischen Textflächen getrieben wird. Die Instrumentalisierung wird da wieder stark international. Häufig haben Bands hier im Südwesten, gerade in Stuttgart, gerade mit gewissem Hardcore-Background, so einen "Amerikanischen Sound" im Gebein. Auch Heisskalt. Fast wie ein La Dispute und Brand New gepaart mit deutsch-poetischen Lyriken zwischen Sprechgesang, Singsang und Geschrei. Ich will das am liebsten Deutsch-Post-Emo nennen.

Was mir besonders gut gefällt ist das Spiel mit leise und laut, und das damit eingehende Zusammenspiel der Vocals von Mathias Bloech und der Backing-Vocals von Gitarrist Philipp Koch. Verwirrend gut die Samples, in Song zwei "Absorber", ich bin mir nicht sicher wo und wie dieser Vocalsound entstanden ist, er ist großartig. Gänsehautmeterial. Dem gegenüber der wahrscheinlich einzige Radio-Song "Lied Über Nichts". Der offiziell sogar textlich wortwörtlich von nichts handelt und keine "Systemkritik" betreibt, das aber eigentlich besser und direkter tut als jeder andere Song dieser deutschen Poplandschaft.

Heisskalt haben es wieder geschafft. Ein Album, womit niemand gerechnet hat. Wieder kein Pop. Oder eben einfach Pop, der seinen Zuhörern auch was zumutet. "Das ist möglich, also tun wir es". Chapeau.




Heisskalt - "Vom Wissen und Wollen"
VÖ: 10.6.2016
via: Department Musik/Sony Music

Mehr: heisskaltmusik.de





Heisskalt Live:
18. Juni - Sankt Kanzian Am Klopeiner See - A New Chapter Festival
24. Juni - Münster - Juwi Fest
08. Juli - Straubenhardt - Happiness Festival
16. Juli - Bochum - Bochum Total
22. Juli - Cuxhaven - Deichbrand
23. Juli - Chieming - Seewärts Festival
29. Juli - Altheim - Altheimer Open Air
30. Juli - Oberharz Am Brocken - Rocken Am Brocken
11. Aug - Haldern - Haldern Pop Festival
12. Aug - Echternach - E-Lake Festival
23. Aug - Wiesen - And There Come The Wolves
20. Sep - Solothurn - Kofmehl
21. Sep - Winterthur - Gaswerk
23. Sep - Kaiserslautern - Kammgarn
24. Sep - Freiburg - Jazzhaus
25. Sep - Frankfurt am Main - Das Bett
28. Sep - Berlin - Lido
29. Sep - Dresden - Beatpol
30. Sep - Augsburg - Kantine
01. Okt - Münster - Sputnikhalle
02. Okt - Leipzig - Werk 2
06. Okt - Rostock - Mau Club
07. Okt - Bielefeld - Forum
08. Okt - Essen - Weststadthalle
09. Okt - Hamburg - Knust
11. Okt - Hannover - Musikzentrum
12. Okt - Köln - E-Werk
13. Okt - Saarbrücken - Kleiner Klub
14. Okt - Erlangen - E-Werk
15. Okt - München - Strom
22. Okt - Koblenz - Festung Ehrenbreitstein
23. Okt - Lindau - Club Vaudeville


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