Von der Rosenau in den Kellerklub. Pardon, die Wagenhallen. AnnenMayKantereit.

AnnenMayKantereit. Foto: Marlena Molitor und Patrick Urbani

Am Samstagabend sind wir im Kessel in den Genuss einer fantastischen Band gekommen, die man wohl ohne zu Zögern zu den aktuellen Hoffnungsträgern der deutschen Musikszene zählen darf.

Von Marlena Molitor und Patrick Urbani


Genauer gesagt in den Wagenhallen und zwar in Form von Christopher Annen, Henning May und Severin Kantereit. Macht zusammen addiert: AnnenMayKantereit. Laut eigener Aussage, machen die Jungs Musik darüber, wie sie das Leben und die Liebe zerreißt, ratlos macht, aber auch beflügelt. Handgemachter Singer-Songwriter Blues, in deutscher Sprache, direkt von den Straßen Kölns. Dort haben sie nämlich 2011 angefangen und konnten spätestens seit dem fulminanten letzten Jahr, zahlreiche Fans dazu gewinnen.

Trotz wachsendem Bekanntheitsgrad, verzichten AnnenMayKantereit weiterhin bewusst auf ein Majorlabel, haben ihr erstes Album unter Eigenregie im Wald aufgenommen und ihre aktuelle EP, die demnächst erscheinen soll, über Crowdfunding finanziert.

Wenn man selbst Vorband von Clueso oder den Beatsteaks war, weiß man das durchaus zu schätzen und bietet somit gerne bei der eigenen Tour anderen auch eine Plattform. Und diese Anderen, kommen am Samstag aus Berlin, tragen den Namen „Von wegen Lisbeth“ und wissen was es braucht, um ein gesamtes Publikum, aus dem sonst eher üblichen Vorband-Schläfchen zu reißen.

Mit einer nicht ganz typischen Auswahl an Instrumenten für eine Indie Band, bestehend aus Xylophon, Triangel, Steeldrum und einer Auswahl an humorvollen tanzbaren Liedern ( „Sushi“), die gute Laune verbreiten, haben sie mit Sicherheit auch in den Reihen des Publikums einige neue Fans dazugewonnen.


Punkt neun Uhr betreten AnnenMayKantereit dann selbst die Bühne und eröffnen ihr Programm mit den Songs „Jeden Morgen“ und einem auf englisch gesungenem Blues mit dem Titel „James“.
Die Stimmung ist hervorragend. Es wird getanzt, gewippt, gesungen, geschmust und gefilmt. Mit dem Smartphone. Aus der dritten Reihe. Seinen Unmut darüber lässt Henning in einer der drei improvisierten Stücke, die sie an diesem Abend von sich geben, freien Lauf. „Du bist überall, nur nicht hier bei mir!“ brüllt er und spricht das Publikum direkt an: „Es wäre schön wenn ihr da unten eure Smartphones wegstecken könntet während wir, hier oben Musik leben und atmen, vielen Dank!“.
Die Message kommt an: Das Publikum grölt, bejubelt Hennings Ansage und drückt seine Zustimmung direkt durch heiteres tanzen aus während die Band weiter wild vor sich hin jammt.

Ja und sonst machen die Jungs da oben schlicht und ergreifend das, was sie vermutlich am besten können – Musik - und es hat den Eindruck als hätten sie noch nie etwas anderes gemacht. Severin Kantereit gibt am Schlagzeug treibend den Beat vor (hat der Drummer da gerade auf Bongos gespielt? Geil!), Christopher Annen steuert an der Gitarre die passenden Riffs bei und packt darüber hinaus die Mundharmonika aus. Und Henning May singt, wenn er nicht gerade die Melodica spielt, jede Zeile, ja jedes Wort mit einer Ehrlichkeit und Kraft in seiner Stimme, die Seltenheitswert hat. Auf ihrer Aktuellen Tour werden sie live vom „wunderschönen Malte Huck“ am Bass unterstützt und hinterlassen quer durch die Republik eine Spur an ausverkauften Konzerten. So ist auch das, vom Kellerklub in die Wagenhallen verlegte Konzert, bis auf den letzten Quadratzentimeter gefüllt.
„Das letzte Mal, als wir hier waren, haben wir in der Rosenau gespielt, kennt die jemand? Und heute spielen wir hier vor euch. Schon ein bisschen größer hier. Danke, dass ihr so unfassbar viele seid!“, richtet Henning, fast schon geschmeichelt, seinen Dank an das Stuttgarter Publikum.

Ein Höhepunkt, bevor die eigenen Hits zum Besten gegeben werden, ist mit Sicherheit ihre ganz eigene Version von „Sunny“, das im Original von Bobby Hebb stammt.
Danach folgen dann die Lieder, die jeder im Publikum mitsingen und - fühlen kann.
Auf „Wohin du gehst“, folgt „Oft gefragt“ das Henning seinem Vater gewidmet hat, der sich so erzählt er, den Namen dazu selber ausgesucht hat.
Als erste Zugabe spielt der Sänger solo das melancholische Liebeslied „Barfuß am Klavier“.
Kaum sind die letzten Klavierakkorde verklungen, springt der Rest der Band wieder auf die Bühne und fordert das Publikum zu „Schon Krass“ noch einmal alle zum Mitsingen auf.
Beim letzten Lied „21,22,23“ springt das Publikum in den Wagenhallen noch einmal heftigst, so heftig, dass die Wände beben und man sich fragt ob sämtliche Diskussionen über die Sanierung des Gebäudes, durch den vorzeitigen Abriss hier und jetzt endgültig aus der Welt geschaffenwerden.


Das Gebäude hat es letztendlich doch überlebt und nach intensiven 75 Minuten verlassen AnnenMayKantereit die Bühne. Auf ein baldiges Wiedersehen, hoffentlich dann wieder hier, in den noch existierenden Wagenhallen!

Wobei, wenn es weiterhin so rasant aufwärts geht für die Band wie bisher, sieht man sie das nächste Mal wohl mit großer Wahrscheinlichkeit im LKA wieder.

Von Marlena Molitor und Patrick Urbani

Mehr: vonwegenlisbeth.de | annenmaykantereit.com

->hier Ein Foto-Album zur Show mit Schnappschüssen von Marlena Molitor und Patrick Urbani.


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