Sonnenbrand geleckt, und rekapituliert. So war das Mannheimer Maifeld Derby im verflixten siebten Jahr. Jeder hat seine Highlights: hier sind die unseres Autoren.

Bilderbuch füllten am Freitag den Headliner-Slot mehr als aus. Foto: Matthias Roman Schneider //
Nach so einem Wochenende ist es oft schwierig alles zu erinnern - das Erlebte in Worte zu fassen. Das Maifeld Derby hat auch im verflixten siebten Jahr ordentlich zur Schau gestellt worum es bei einem Musik-Festival geht. Nämlich um Musik. Mit dieser Prämisse hat Timo Kumpf, der selbst Musiker in der Band Get Well Soon ist, das Open-Air-Event in Mannheim vor sieben Jahren gestartet. So war auch das Wochenende vom 16. bis 18. Juni in diesem Jahr kuratiert mit feinster Musik. Da kann man schon einmal satt werden, und  auch sogar vergessen dass da am Anfang ein großartiger J. Bernardt die Palastzeltbühne eröffnete.



So viel Aufmerksamkeit wie in diesem Jahr hatte das Festival auf dem Maimarktgelände in der Kurpfälzer Metropole noch nie. Das lag unter anderem daran, dass - zwar recht spät aber trotzdem - mit Bilderbuch ein Headliner mit gewaltiger Öffentlichkeit gefunden wurde. Zwar waren die Herrschaften schon vor drei Jahren auf dem Maifeld Derby zu Gast, aber das ist dann wieder diese Geschichte mit diesem Festival. Vor drei Jahren waren die Österreicher noch ein Indie-Geheimtipp. Dann kam der Durchbruch mit "Maschin" und der Rest ist Geschichte. Der Maifeld-Geschäftsführer konnte sich getrost wieder auf sein Händchen für Musik berufen und auf die Schultern klopfen Bands zu entdecken, bevor es die große Masse tut.

Die Aufmerksamkeit für das Maifeld Derby bewies sich auch in großer EgoFM Werbetrommel und nicht zu letzt durch die Präsenz des deutsch-französischen Kultursenders ARTE, der das Festival zum ersten Mal in Teilen live übertrug. Das gleicht im Feuilleton einem Ritterschlag.

So viel aber dazu. Um diese Abhandlung in Zaum zu halten, bespreche ich in den folgenden Absätzen jetzt nur meine persönlichen Highlights jedes einzelnen Festival-Tags. Okay, das waren viele.

Ein Tag nach dem anderen.

Der Freitag ließ die Musik-Liebhaber langsam in Festival-Laune kommen. Er hatte eher die ruhigeren Gangarten aufgetischt. Mit Voodoo Jürgens wurden die Dadaisten bedient, während über den Tag verteilt viele bemerkenswerte downtempo Electrobeats und Gitarren auf die Zuhörer losgelassen wurden. Trentemøller und Sohn waren da die größten Namen auf dem Lineup, die solide ablieferten. Cigarettes After Sex überzeugten mit schleppend schlechter Laune. Bilderbuch klammern wir jetzt mal aus, die lieferten ganz andere Töne in Perfektion ab. Ein fast stilles Highlight für mich waren Rue Royale, die auf der kleinsten der vier Bühnen spielten. Im Reitstadion, mit Sitzplätzen, beim Parcours D'Amour. Rue Royale. Die zweiköpfige Band aus Nottingham überzeugte mit sanften Tönen aus Synth, Percussion und Gitarre.

Rue Royale spielten während viele von euch bestimmt Sohn begutachteten. Foto: Matthias Roman Schneider
Samstag, der zweite Tag eines grandiosen Festivals sollte der grandioseste Tag der Maifeld-Derby-Geschichte werden. Der Samstag war ausverkauft, so schaffte das Festival in diesem Jahr in der Summe 15 000 Gäste, im Schnitt also 5000 pro Tag. Insgesamt strömten so 3000 Mehr Musikfestivalbesucher zum Maifeld Derby als im Vorjahr.

Tag zwei war aber auch in musikalischer Hinsicht ein Highlight. Moderat als unangetasteter Headliner ließ sicherlich einige Herzen rhythmisch klopfen. Die Nacht hatte so verdammt viel zu bieten, dass man den Tag mit großartigen Acts wie Dear Reader oder Pabst fast verdrängte. So waren aber auch die rockigsten Acts des Wochenendes im Aufgebot. The Tidal Sleep, American Football, Sometree lieferten allesamt eindrucksvoll ab. Gut, American Football wirkten ein wenig emotionslos, aber die spielten auch der prallen Sonne entgegen. Die Hardcore-Jungs von The Tidal Sleep fügten sich erstaunlich gut ins heterogene Festival-Gefüge ein. Auch bei ihrer Show war das kleine Brückenawardzelt gemütlich gefüllt. Das persönliche Highlight waren aber definitiv Minus The Bear aus Seattle, Washington. Die Band aus der Grunge-Stadt spielen hochgradig technischen Math-Rock mit der gewissen Emo-Ecke. Danach war ich emotional, und körperlich komplett ausgelaugt. Der Rest vom Abend konnte dann nur Beiwerk werden, und das trotz des krassen Restprogramms. Ja, mit guter Musik kann schon mal ein Sättigungsgefühl erreicht werden.

Jake Snider sah das letzte mal als ich Minus The Bear sah auch noch anders aus, das war vor 10 Jahren in England.
Foto: Matthias Roman Schneider
Sonntag, letzter Tag. Hui. Was war das für ein Wochenende. Sonne, Sonne, Sonne, und Sonntags noch mehr davon. Wir schmieren die roten Ecken unseres eingebrannten T-Shirts und die seltsamen roten Knie ein und schnaufen noch einmal durch. Leider muss auch das schönste Festival einmal enden. Dem Maifeld Derby schadete es auch in diesem Jahr nicht, dass mehr Leute kamen. Die meisten kamen wegen der Musik - Camping-Platz-Trinkspiele wurden selten nervig.

King Gizzard & The Lizard Wizard zeugten noch einmal von dem Rock-N-Roll der auch auf der Open-Air-Bühne, der Fackelbühne abgefackelt werden konnte (Pun sowas von intended). Zwar hatte ich bei diesem Sound der Australier mehr mit hängen gebliebenen Hippies gerechnet als mit hippen Sunnyboys, aber so ist das eben in Australien. Alles Surfer-Dudes. Der Garage-Sound der kantigen Musik tat das aber nichts. Da konnte das Maifeld nochmal den Pogo proben. Langsamer spielte das Festival schließlich dem Klischee-Sonnenuntergang entgegen. Slowdive trugen das schönste Wochenende des Jahres (bisher) stilecht und passend Richtung Ende.

Das Maifeld Derby ist etabliert. Nach sieben Jahren kann man das wohl sagen. Etabliert als ein Festival, dass die Musik liebt, Musikliebhaber anlockt und damit punktet neue Bands zu entdecken. Ich hatte vorher zwar gut recherchiert, deshalb gibt es für mich weniger unbekannte Entdeckungen. Aber selbst Rue Royale hatte ich nicht so dick auf meiner Liste. Ertappt. Das Konzept funktioniert. Eine minikleine Macke fand ich allerdings doch noch. Zwar habe ich niemanden gesehen, der bei der Hitze umgekippt ist, aber ein paar Trickwasserspender, bei 30 Grad und praller Sonne, hätten sicherlich ein paar der Nachmittagsstunden erträglicher gestaltet. Aber das soll es dann auch an Kritik gewesen sein.

Das Maifeld Derby 2017 war ein gelungenes Musikfestival, das zwar die Musik zelebriert, aber auch ringsherum gelungen ist. Gemütlicher campen und Musik genießen und Handbrot essen kann man nirgendwo anders im Festivalsommer. Außerdem: So einen wohlgemischten Musikcocktail musst du erst mal mit den richtigen Zutaten anrühren. Chapeau!

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