Thrice: "Beggars" - Song für Song

gangsMit "Beggars" haben Thrice ganz großes geschaffen. Wie man das Mammut-Projekt "The Alchemy Index" musikalisch und künstlerisch noch übertreffen könne, blieb allen Spekulationen verschlossen. Mit ihrem neusten Voll-Längen-Album liefern Thrice die Antwort: Ganz natürlich mit Musik aus einer Lebensader. Wie selbstverständlich läuft auf "Beggars" alles was die Band bisher gemacht hat, ausprobiert hat in einer Harmonie zusammen, die einerseits begeistert und andererseits noch viel mehr beeindruckt. Thrice beschreiben einen weiteren Schritt der Evolution einer Band, wie sie nicht schöner im Bilderbuch beschrieben sein könnte. "Beggars" funktionert gerade als gesammtes Werk wunderbar um dem Alltag in verträumte Sphären zu entfliehen, jedoch ist jedes Stück auf der Platte ein Kunstwerk für sich. Daher bietet sich an das Werk akribisch bis ins kleinste Detail zu besprechen. Song für Song.

Details: "Beggars" VÖ: 18.9.09 (CD), 11.12.09 (Vinyl)
1. All The World Is Mad
2. The Weight
3. Circles
4. Doublespeak
5. In Exile
6. At The Last
7. Wood & Wire
8. Talking Through Glass
9. The Great Exchange
10. Beggars
11. Answered
12. Red Telephone
13. Helter Skelter
14. All The World Is Mad (Free The Robo)
15. Circles (Textual Remix)


01. "All The World Is Mad"

Der Opener spielt auf eine Art und Weise auf, die man selten auf die Ohren bekommt. Ein wenig Sludge, zusammen mit Doom-Weltuntergangsstimmung mit grandiosem Post-Rock und Post-Hardcore-Feinschliff veredelt. Der anklagende, hymnenartige Gesang geht direkt durchs Ohr in Mark und Bein, und verschwindet dort auch nicht mehr so schnell.

02. "The Weight"

Dieser Song schleicht sich an. Er fährt das vorgegebene Tempo ein wenig zurück, nur um im Refrain vollmundig unserer Seele die ewige Treue zu schwören. "Come what may, I will be standing right here by your side." Wenn Dustin Kensrue diese Worte mit allem was er hat durch die Lautsprecher des Zuhörers drückt, bringt das Gänsehaut mit sich. "Love is a loyalty sworn, not a burning for a moment."

03. "Circles"
Melancholie und Nachdenklichkeit. "Circles" schreibt jenes Kapitel weiter, das Thrice damals mit "Atlantic" auf "Vheissu" eröffneten und über die "Air" und "Water" EPs vertieften. Vertäumte Vocals schweben über traumhaft arrangierten, wiegenden Klängen. An einigen Stellen schimmert sogar der bandeigene Klassiker "If we could only see us now" durch. Nicht wort-wörtlich, jedoch vermittelt der Song eine ähnliche träumerische Stimmung.

04 "Doublespeak"
Dieser Song ist der wahrscheinlich beste, den Thrice je geschrieben haben. Man möchte gar so weit gehen, es sei der beste Song den die Welt je zu hören bekam. Dabei bedient er sich eigentlich an gewohnten Mitteln. Er baut Spannung auf, wechselt Tempi und hat eingängige Refrains. Jedoch ist die musikalische Inszenierung von solch Raffinesse, dass es einem die Nackenhaare gen Himmel aufrichtet. Teppeis Arbeit am Klavier fügt sich perfekt in das gesammte Klangbild ein. In diesem Lied ist alles so homogen. Jedes Rat greift in das nächste. Man merkt, dass die Band gemeinsam schon so einiges experimentiert hat.

05 "In Exile"
Das Lied für jede Reise. Klingt jetzt zwar wie aus einem schlechten Reiseführer mit CD-Beilage. Aber "In Exile" trägt einen förmlich nach draußen. Es erbaut Brücken über Täler, die man sofort beschreiten möchte. Genau wie die Band mit ihrer Musik hier Brücken spannt zwischen Post Punk, Soul, Folk und Post Hardcore. So wird das jeher imaginäre Bindeglied zwischen Bands wie The Gaslight Anthem, Poison The Well und Radiohead in Thrice manifestiert.

06 "At The Last"
Knapp nach der Hälfte der Spielzeit von "Beggars" findet Thrice den Groove erneut. Der sechste Song hat Schmiss und nimmt einen mit auf die Tanzfläche. Pogo, Headbangen, was auch immer. Dieses Stück Musik bewegt.

07 "Wood & Wire"
Wurde man gerade noch hin und her gewuchtet, nimmt "Wood & Wire" das Tempo wieder ein gutes Stück zurück. Eine nachdenkliche Stimmung legt sich über den Zuhörer. Ein wenig Resignation klingt wieder an. Die Doom-Stimmung aus dem anklagenden "All The World Is Mad" kommt zurück und legt sich nieder gerade dann wenn sie sich im Hirn einistet ist der Song zu Ende.

08 "Talking Throug Glass/We Move Like Swing Sets"
Thrice finden hier am ehesten wieder zurück zu ihren Post-Hardcore-Wurzeln. Sie reißen einen aus der Resignation heraus. Wühlen auf. Treiben hinaus. Beschreibend ist der Titel des Songs. Hin und Her gerissen zwischen Welten fühlen wir uns nachdem so verschiedene musikalische Eindrücke auf uns einprasselten. Zum Glück lässt uns der Song beim Ausklingen wieder ein wenig Zeit zum Durchatmen.

09 "The Great Exchange"
Dieses Stück steht gedanklich wieder auf der selben Seite wie "Atlantic" und "Circles". Dieses mal klingt noch ein wenig mehr Radiohead in Dustins Stimme durch. Wieder ein wunderschöner Song, der zum träumen anregt. Trotz seiner eher traurigen Grundstimmung, fallen diese Träume dann aber keineswegs wie Alpträume aus. Keine Verzweiflung, eher Verlangen nach Ferne. "Your body is a bridge across an endless sea."

10 "Beggars"
Der Titelgebende Track zuletzt, als abschließendes Element eines wahnsinnig gefühlvollen Albums. Minimalistisch umschlingt der Song einen, ohne einen Würgegriff zu platzieren, mehr um Geborgenheit zu suggerieren. Jedoch klingen Kensrues klagende Worte schmerzverzerrt auf unser Gemüt ein. "Beggars" ist bestimmt kein Wohlfühlsong, aber er ist so schrecklich schön. Ein perfektes Ende für ein perfektes Album.

(1)1 "Answered"
Ist der erste von fünf Bonustracks, den man nach Einlösen eines Download-Vouchers erhält. Das Lied klingt als wäre es von den "Fire"-Sessions übrig geblieben. Ist es wohlmöglich auch. Es ist durchaus kein schlechter Song, wohl aber eben eine B-Seite, die der Band nicht in das Gesamtbild eines Albums gepasst hat. Schön, dass wir das Lied immerhin jetzt zu Ohren bekommen, denn es fetzt ganz gut.

(1)2 "Red Telephone"
Auch eine B-Seite. Ein sehr eingängiges Lied, hätte gut und gerne auf der CD sein können. Aber das Thema scheint nicht auf die perfekt abgerundete Platte zu passen. Aber sollte man für die Clubs und Tanzflächen im Auge beziehungsweise Ohr behalten.

(1)3 "Helter Skelter"
Selbstverständlich handelt es sich hier um ein The-Beatles-Cover. Vor allem ein sehr gutes. Schon wie damals bei "Eleanor Rigby" auf "If We Could Only See Us Now" interpretieren Thrice den Klassiker auf ihre ganz eigene fantastische Art.

(1)4 "All The World Is Mad (Free The Robo)"
Hier hat sich Teppei am Mischpult austoben dürfen. Aus einem fantastischen Post-Rock-Song wird somit ein verrücktes Elektro-Ding im Remix.

(1)5 "Circles (Textual Remix)"

In dieser Form hätte der Song perfekt neben "Digital Sea" auf der "Water"-EP Platz gefunden.

Mehr zur Band: thrice.net | myspace.com/thrice

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